Pinocchios Erben

Der folgende, bewusst provokant formulierte Text spielt auf satirische Weise mit überkommenen Klischees über sexuell und asexuell orientierte Menschen. Wer weder über Humor verfügt noch ein Verständnis für Ironie und Sarkasmus sein Eigen nennen kann, darf diesen Beitrag getrost überlesen.

 

Seit einiger Zeit scheint der Diskurs über Sexualität an einer so schier unbegreiflichen wie verstörenden Bedrohung entflammt zu sein, die sich unter dem Deckmantel des Nicht-Wollens tarnt und damit der wollenden Mehrheit das Weltbild vermiest: Tatsächlich, die Rede ist von Asexualität.

 

Wie, so geht ein Aufschrei durch die übersexualisierte Gesellschaft,  kann ein Mensch sich mit dem Attribut des Asexuellen schmücken, ein Mensch, der doch unbestreitbar ein sexuelles Wesen ist! Die sexuelle Mehrheit scheint mit aller Macht beweisen zu wollen, was jedes Kleinkind ohnehin schon weiß: Seit Bienen und Blumen uns ein Begriff geworden sind, glüht das unstillbare Verlangen des sexuellen Begehrens in jedem Pubertierenden. Auch, wenn der davon selbst noch nicht allzu viel mitbekommen hat, mit prophetischer Gewissheit ist man sich sicher: die Zukunft wird’s zeigen.

 

Vor diesem Hintergrund gilt das Nachgeben gegenüber der teils scherzhaft als ‚animalisch‘ betitelten Triebe als heldenhafter Dienst an der gesamten Menschheit, sichert der Reproduktionsakt doch das Fortbestehen des nach Gottes Angesicht erschaffenen homo sapiens sapiens! Beinahe gotteslästerlich erscheint es da, dass eine gewisse Randgruppierung dem übersexualisierten Treiben die kalte Schulter zeigt. Wie existenziell bedrohlich diese Verhaltensweise ist, merkt man alleine schon daran, dass sich sagenhafte 1% der Gesamtbevölkerung als asexuell klassifizieren. Und wahrhaftig, wenn die sich nicht fortpflanzen wollen, dann hat das katastrophale Folgen epischen Ausmaßes! Dass die Menschheit dann aussterben wird, kann man eigentlich schon als Tatsache gelten lassen.

 

Der missionseifrige Sexuelle macht sich sogleich an die überaus notwendige Ursachenforschung, um die Asexuellen davon zu überzeugen, dass es eigentlich gar keine Asexualität gibt und sie somit gar nicht existieren können. Schnell ist das erste Argument gefunden: In der Kindheit der Betroffenen muss etwas Unaussprechliches vorgefallen sein, das dem nun psychisch gestörten Ass den Spaß an der schönsten Nebensache der Welt verleidet. Ein schwerwiegendes Trauma muss die angespannten Lenden in irgendeiner Art und Weise blockieren. Der Gang zum Psychiater liegt nahe, damit der wieder passend macht, was bisher nicht gepasst hat und den armen Opfern der Asexualität somit erstmals Lebensqualität ermöglicht, die – das wissen wir alle – nur und ausschließlich durch ein reges Sexualleben zu erreichen ist.

 

Sollte der widerspenstige Asexuelle jedoch keine dunkle Vergangenheit vorzuweisen haben, kann man ihm auch einfach die sexuelle Aufgeklärtheit absprechen und ihn in den Topf der Prüden und Frigiden werfen, die es einfach mal so richtig besorgt bekommen müssen, um die Qualitäten eines beherzt zupackenden Sexualpartners schätzen zu lernen. Hier bietet sich denn auch noch eine zweite Kategorie an: die der an sexueller Schwäche und Unlust Leidenden, denen Hormonpillen und andere Substanzen in die Hinterpforten gepumpt werden müssen, damit diese sogleich den innigen Wunsch verspüren, sich unter einem weißen Laken bedeckt heftig auf und ab zu bewegen.

 

Alternativ tauchen nostalgisch angehauchte Zeitgenossen in die zauberhafte Welt der Märchen ein, um zu erklären, was es denn nun mit der Asexualität auf sich hat. DER Traumprinz oder DIE Traumprinzessin hat einfach noch nicht den Weg in das abgedunkelte Schlafzimmer des Asexuellen gefunden. So und nicht anders muss es gewesen sein! Schließlich muss man doch mögen, was jeder mag und man muss auch machen, was alle tun. Dass man dabei dann selbst auch Spaß hat, liegt ja auf der Hand.

 

Vielleicht handelt es sich auch um einen verschüchterten AB, der ja mal gerne würde, aber niemals die Gelegenheit dazu bekommen hat. Um mit dieser persönlichen Niederlage in diesem doch so lebenswichtigen Schlachtfeld der Sexualität klarzukommen, hat er sich diese Fiktion ausgedacht, um seine schwer angeknackste Psyche nicht noch weiter zu verletzen.

 

Sollte sich allerdings jemand gegen diese tadellos logische Beweisführung stemmen und glaubhaft darlegen, sich nicht für Sexualität zu interessieren, dann hat das selbstverständlich Konsequenzen für seinen Wert als Mensch! Nicht nur ist er fortan ein Mängelwesen zweiter Klasse, nein, auch noch eines, dessen Pinocchionase vom vielen Lügen bereits einmal den Äquator entlanggewandert ist. Es liegt doch auf der Hand, dass dieser dumme Narr sich damit nur selbst etwas vormacht und den Sexuellen eine Freakshow vom allerfeinsten liefert, die sich auch der gerissenste Jahrmarktbudenbetreiber nicht besser hätte ausdenken können.

 

So einfach ist das mit der Asexualität. Pinocchio hat einen ganzen Haufen neuer Brüder und Schwestern gewonnen und die Sache ist vom Tisch. Problem gelöst!

 

Kari, Siku

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Kommentare: 3
  • #1

    Melanie (Donnerstag, 03 Dezember 2015 21:36)

    Ich finde es gut, dass ihr auch bei solchen Themen nicht den Humor verliert. Habe wirklich Tränen gelacht!

  • #2

    Mia (Freitag, 04 Dezember 2015 06:18)

    Ein ziemlich witziger und einzigartiger Beitrag, danke dafür ! Besonders, wie er die ganzen Vorurteile über asexualität aufs Korn genommen habt !

  • #3

    Aaron (Sonntag, 06 Dezember 2015 13:00)

    Eure Satire zeigt wunderbar, was für absurde Vorstellungen über Asexualität in so manch einem Kopf ihr Unwesen treiben.