Liebessprüche? Nein danke!

Wenn es von einer Sache auf der Welt nicht zu wenig gibt, dann von kitschigen romantischen Liebessprüchen, die für Liebe und Romantik einen universellen Status proklamieren. Romantik sei essentiell für die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, ein zentraler Part des menschlichen Daseins überhaupt und unabdingbar für eine gesunde Psyche. Ein Beitrag für alle, die von amatonormativen Statements genervt sind.

 

Im aromantischen Alltag fällt Amatonormativität besonders negativ ins Gewicht. Ob man amatonormative Aussagen in Texten liest, im Radio hört oder im Fernsehen sieht, immer implizieren sie, aromantische Personen seien als Menschen weniger wert, zerbrochen und unmenschlich.

 

Das Frustrierende daran ist, dass derlei Möchtegern-Philosophie von der Menge der romantischen Menschen dabei noch als ausnehmend tiefsinnig empfunden wird. Zudem macht es die Identifizierung und Akzeptanz von Aromantik für aromantische Menschen umso härter, denn sie müssen erst einmal durch die Lawine von Amatonormativität dringen, die sie als unvollständig und unglücklich begreift.

 

Eine Auswahl von vor Kitsch und romantischer Hybris triefenden Liebessprüchen, die man aromantischen Personen besser nicht an den Kopf wirft:

(Die Auffassung des Wortes ‚Liebe‘ ist dem gebräuchlichen Verständnis entnommen und kann daher jeweils mit ‚romantischer Liebe‘ übersetzt werden.)

 

Das Leben ist ein Spiel und Liebe ist der Preis.

An diesem Beispiel fällt sofort ins Auge, dass (romantische) Liebe einmal mehr als Lebenssinn postuliert wird. Aromantiker können sich also gleich demotiviert in den Sarg legen und darauf warten, dass alles vorbei ist. Wer möchte schon an einem Gewinnspiel teilnehmen, wenn er mit dem Gewinn nichts anfangen kann?

 

Die Liebe ist die Krone des Lebens.

Stolz präsentiert sich die Liebe als höchste Auszeichnung, denn sie adelt das liebende Individuum und überhöht somit. Nur Aromantiker gehören wieder einmal nicht zu den Blaublütigen und müssen dieser ‚Weißheit‘ zufolge mit nackigen Häuptern herumlaufen. Ein anschaulicher Vergleich für die unsinnige Diskrepanz in der Wertigkeit liebender und nicht-(romantisch)-liebender Menschen.

 

Die Liebe macht menschlich.

Jetzt ist es soweit. Alloromantische Menschen erklären alle, die nicht so sind wie sie, für Außerirdische. Ein trauriges Beispiel falsch verstandener Humanität.

 

Liebe ist es dann, wenn man auch schwere Zeiten zusammen übersteht und nicht aufgibt, auch wenn es manchmal hoffnungslos erscheint.

Natürlich kann nur die romantische Liebe Hürden überwinden, Hoffnungslosigkeit besiegen und Krisen überstehen. Auf die Idee, dass auch enge Freundschaft dazu in der Lage sein kann, kommt niemand.

 

Die Liebe ist manchmal das Traurigste, oft das Schönste und immer das Wichtigste im Leben.

Wieder steht die romantische Liebe in der Wertigkeit auf dem ersten Platz und lässt sich von allem, was sich darunter befindet, die rosafarbenen Schuhe küssen. Solche Non-Plus-Ultra-Sprüche sind der Grund, warum einige aromantische Menschen ihrem Leben keinen Wert beimessen und ihre romantische Orientierung zum Teufel wünschen.

Darum der folgende Hinweis: Was einer Person im Leben wichtig ist, kann man nicht über einen Kamm scheren, ohne zugleich dem Individualismus des Menschen eine Absage zu erteilen. Auch, wenn man diese Gefühlshierarchie bei dem ein oder anderen Intellektuellen lesen durfte, sie zu kopieren lässt einen auch nicht schlauer wirken.

 

Lieben heißt, einen Menschen so annehmen, wie er ist.

Wie kommt es dann, dass die meisten romantischen Beziehungen nur so vor Änderungsversuchen und dem Bestreben, sich sein Gegenüber zurechtzubiegen strotzen? Einen Menschen in seiner Totalität annehmen zu können darf gerne als besondere Eigenschaft zählen. Aber dieser Eigenschaft sollte nicht der Namen ‚Liebe‘ gegeben werden.

 

Die Freundschaft und die Liebe sind zwei Pflanzen an einer Wurzel. Die letztere hat nur ein paar Blumen mehr. (Friedrich Gottlieb Klopstock)

Auch metaphorisch ausgedrückt wird es nicht weniger amatonormativ. Liebe ist also reichhaltiger und schöner als die Freundschaft? Gottlieber Klopstock, dafür möchte man dich mit dem Stock verkloppen.

 

Die Liebe ist nicht ein, sondern der einzige Weg, um glücklich zu werden.

Das Märchen vom unglücklichen Aromantiker erreicht ein neues Level: Jetzt können Menschen dieser romantischen Orientierung im Leben überhaupt nicht mehr glücklich werden! Nein, Liebe ist bei Weitem nicht der einzige Weg, um glücklich zu werden, vielleicht aber der einfachste. Fix ein geeignetes Gegenüber suchen, rosa Brille aufsetzen und Hormoncocktail einwirken lassen.

 

Siku

Kommentar schreiben

Kommentare: 18
  • #1

    Mary (Sonntag, 10 Januar 2016 13:12)

    Das sind ja wirklich schmalzige Horrorsprüche, besonders die letzten zwei! Solche ''Weisheiten'' sollte sich kein Aromantiker und keine Aromantikerin zu Herzen nehmen, wir sind gut so, wie wir sind!

  • #2

    bet (Sonntag, 10 Januar 2016 13:58)

    bäh, für den kallauer gehört dem kloppstock wirklich mal eins auf den kopf gekloppt...
    auch kacke: ''liebe ist die summe unseres lebens'' oder so ähnlich. weiß nicht von wem das ist, aber er hatte unrecht.

  • #3

    bet (Sonntag, 10 Januar 2016 14:02)

    so, habs gegoogelt: "die summe unseres lebens sind die stunden, in denen wir liebten." (wilhelm busch)
    genauso käse!

  • #4

    Killian (Sonntag, 10 Januar 2016 15:00)

    Und sowas von Wilhelm Busch? *enttäuscht* Sonst war der doch lockerer drauf...da sollten wir Aros lieber Max und Moritz lesen und nicht seinen Liebesschmalz.

  • #5

    Kødhoved (Sonntag, 10 Januar 2016 15:24)

    Da hat doch auch irgendwer die Signatur im Forum: "Lieben oder geliebt zu haben genügt. In den Weiten des Universums ist keine weitere Perle mehr zu finden" - oder so ähnlich.
    ...btw... da kommt mir gerade noch ne Idee für nen neuen Artikel für diesen Blog hier.

  • #6

    Flattermaus (Sonntag, 10 Januar 2016 16:02)

    Ich habe den Spruch ,,Das Leben ist ein Spiel und Liebe ist der Preis." beim ersten Überfliegen so verstanden, als sei Liebe der Preis, den man für ein Leben zu zahlen habe. Also beispielsweise das Einlassen auf eine Liebesbeziehung in Zeiten, in denen der Staat keinen Schutz vor Anarchie bietet.

  • #7

    Siku (Sonntag, 10 Januar 2016 16:18)

    @Kødhoved: Ein Zitat von Victor Hugo. "Zu lieben oder geliebt zu haben genügt. Danach verlangt nichts mehr! In den geheimnisvollen Wendungen des Lebens ist keine weitere Perle mehr zu finden."
    Das lassen wir mal besser unkommentiert, der Artikel hier zeigt zu Genüge, was ich von solchen Sprüchen halte.

    Für gute Ideen bin ich immer offen. Das machen wir aber besser nicht in den Kommentaren aus. Ich schreibe dir gleich 'ne PM.

  • #8

    Julia (Montag, 11 Januar 2016 18:14)

    Auch immer schön: "Es ist besser, geliebt und verloren zu haben, als nie geliebt zu haben." Um, nö.

  • #9

    Siku (Mittwoch, 13 Januar 2016 17:11)

    @Julia: Der Spruch ist auch noch aus einem anderen Grund dämlich.
    Ich mag es nicht, wenn Emotionen "kapitalisiert" werden, was durch dieses "verlieren" angedeutet wird. Heutzutage muss alles ein Gewinn sein und sich lohnen...einige fragen sich auch, wie viele Gefühle sie in ihr Gegenüber "investieren" sollen. Furchtbar!

  • #10

    Julia (Donnerstag, 14 Januar 2016 10:59)

    @Siku, ja, stimmt, die Ebene habe ich noch gar nicht beachtet. Auch aus "verlorenen" Liebesgefühlen konnte man ja zumindest eine Zeit lang emotionalen Mehrwert ziehen, womit man definitiv profitabler gewirtschaftet hat, als wenn man gar nicht in Liebe investiert hätte...

  • #11

    Marie (Donnerstag, 14 Januar 2016 20:07)

    Oh, einige der Sprüche sind aber echt sehr schmalzig! Trotzdem, ich frage mich, ob da wirklich immer und ausschließlich romantische Liebe mit gemeint ist. ZB "Lieben heißt, jemanden so anzunehmen, wie er ist" - was spricht in dem Fall denn dagegen, dass das auch platonische Liebe sein könnte? Auf platonische Liebe passt der Spruch ja eh besser (Eltern, enge Freunde, Geschwister ...) oder würdet ihr da nicht von Liebe sprechen?

  • #12

    Siku (Donnerstag, 14 Januar 2016 22:12)

    @Marie: Doch, ich würde da ebenfalls von platonischer Liebe sprechen.

    Die Beispiele habe ich allesamt einem Band entnommen, der 'Die schönsten Liebessprüche für deinen Partner' oder so ähnlich hieß - das war leider eindeutig nur auf die romantische Liebe gemünzt. Und gerade weil ich finde, dass dort genannte Eigenschaften, die nur der romantischen Liebe zugerechnet werden, auch auf andere Formen zwischenmenschlicher Beziehungen passen, habe ich diesen Artikel geschrieben.

  • #13

    Julia (Freitag, 15 Januar 2016 14:33)

    Ich habe heute noch einen gelesen: "Liebe ist der Sieg der Phantasie über den Intellekt", oder so. Ich weiß überhaupt nicht, was ich damit nun anfangen soll, ich finde Phantasie und Intellekt gleichermaßen toll, aber der Spruch scheint zu suggerieren, dass Vernunft/Intellekt irgendwie doof ist und besiegt werden sollte. Naja, aber die Vorstellung, dass Liebe einen Sieg der Phantasie darstellen soll, ist mir auch etwas... in dem Sinne, dass man sich das geliebte Objekt völlig konter-intellektuell schönphantasiert oder was?!

  • #14

    Siku (Freitag, 15 Januar 2016 17:27)

    @Julia: Mit deiner Interpretation bekommt der Spruch sogar eine zynische Note. Wer alle Macken an seinem Gegenüber wegfantasiert hat, darf das Liebe nennen. So interpretiert wäre der Spruch insbesondere für die Anfangsphase der Verliebtheit passend - und ziemlich antiromantisch.

  • #15

    Julia (Montag, 18 Januar 2016 12:20)

    @Siku: ich vermute mal ganz stark, dass Romantiker_innen eine sehr viel pro-romantischere Interpretation kennen. Die verschließt sich meiner intellektbefeuerten aromantischen Phantasie jedoch.

  • #16

    Nina (Mittwoch, 30 März 2016 16:35)

    Zu dem Spruch: Ich bin viel emotionaler und Phantasiebegabter als intellektuell und verstandesbegabt. Trotzdem bin ich aromantisch. Wie passt das jetzt zusammen?

  • #17

    Siku (Freitag, 08 April 2016 21:57)

    Zu Nina: Das passt bestens zusammen. Der Spruch ist sowieso nur ein Klischee. Liebe wird mit der 'schönen' Fantasie gleichgesetzt, Intellekt und Verstand sollen demgegenüber wohl schnöde und langweilig wirken. Dennoch kann man sowohl aromantisch als auch fantasiebegabt sein.

  • #18

    Rainer Ostendorf (Dienstag, 14 Juni 2016 21:00)

    "Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, der lasse sich begraben."
    Johann Wolfgang von Goethe

    Schöne Grüsse aus der www.freidenker-galerie.de